Es passiert nicht selten, dass man sich voller Hoffnung und Vorfreude auf eine tolle Stellenanzeige bewirbt, den Job beginnt und dann feststellen muss, dass es doch nicht der Traumjob ist, den man sich vorgestellt hat. Hier liegt das Problem – denn den perfekten Job gibt es nicht, sondern man muss ihn sich selbst schaffen.
Genau das beschreibt Job Crafting– Arbeitnehmende schaffen sich dabei aus den vorgegebenen Arbeitsstrukturen ihre eigenen, passenden Arbeitsaufgaben. Besonders in der heutigen VUCA-Welt, in der man sich in einem ständigen Wandel befindet und in welcher Autonomie und Eigenverantwortlichkeit zentral sind, gewinnt Job Crafting immer mehr an Bedeutung.
In diesem Beitrag wird auf die positiven Seiten von Job Crafting eingegangen. Es ist wichtig zu wissen, dass es sich dabei nicht um ein exklusiv positives Phänomen handelt, sondern dass es auch Schattenseiten gibt. Ein Beispiel dafür wäre, dass man den Handlungsspielraum auf eine nicht förderliche Art ausnutzt und Aufgaben erledigt, die irrelevant sind oder die nicht im eigentlichen Tätigkeitsbereich der Person liegen. Um Job Crafting erfolgreich umzusetzen, muss es katalysiert bzw. gelenkt werden. Im Folgenden wird entsprechend auf die erwünschte Form von Job Crafting und dessen Förderung genauer eingegangen.
Was ist Job Crafting und weshalb ist es relevant?
Job Crafting ist das proaktive und individuelle Gestalten der eigenen beruflichen Arbeit. Es handelt sich dabei um einen Bottom-up Prozess, bei dem der Job passender zu den eigenen Bedürfnissen gemacht wird und somit der Person-Job Fit erhöht wird. Die Idee dabei ist, dass Menschen fast immer die Möglichkeit haben, kleinere Anpassungen am eigenen Beruf vorzunehmen, wodurch die Arbeit besser an der eigenen Motivation und den eigenen Stärken anschliesst.
Job Crafting lässt sich am Beispiel von interviewten Putzkräften eines Krankenhauses beschreiben – diese konnten von Psychologen in zwei Gruppen eingeteilt werden: eine Gruppe welche nur das absolute Minimum erledigte, ihren Beruf nicht mochte und die dafür nötigen Fähigkeiten als sehr gering einschätzte. Die andere Gruppe hingegen empfand ihre Arbeit als anspruchsvoll, suchte auf eigene Initiative den Kontakt mit Patienten und Angehörigen und erledigte zusätzliche Arbeiten. Zum Beispiel veränderte eine Putzkraft regelmässig das Zimmer eines Koma-Patienten, um für neue Anregungen zu sorgen. Job Crafting ist somit ein Vorgang, in dem Mitarbeitende ihren Job eigenständig gestalten, um ihn als sinnvoller zu erleben und somit zufriedener zu sein.
Nach Tims und Bakker lässt sich Job Crafting anhand von drei Dimensionen beschreiben:
- Ressourcen erhöhen: Feedback, Ratschläge und Unterstützung einholen, Fähigkeiten verbessern und Autonomie erhöhen.
- Herausforderungen suchen: proaktiv neue Aufgaben suchen, mehr Verantwortung übernehmen.
- Anforderungen reduzieren: Sowohl emotionale, wie auch mentale oder physische Aspekte der Arbeit minimieren und die Balance zwischen Privatleben und Arbeit nicht vernachlässigen.
Job Crafting hat generell positive Konsequenzen für Erwerbstätige und Unternehmen; dies zeigt sich u.a. durch eine höhere Arbeitszufriedenheit, ein höheres Arbeitsengagement und ein niedrigeres Stresslevel.
Auf der Grafik werden die positiven Konsequenzen von Job Crafting differenzierter dargestellt: Die positive Wirkung von Job Crafting ist einerseits den verbesserten Arbeitsbedingungen zu verdanken (Belastungen werden reduziert, Ressourcen erhöht), was wiederum weitere Faktoren wie die Arbeitsleistung und -zufriedenheit stärkt. Ein weiterer Wirkmechanismus von Job Crafting ist eine bessere Passung zwischen der Arbeitsaufgabe und den Bedürfnissen und Fähigkeiten der angestellten Person, d.h. eine Erhöhung des Person-Job Fits. Dies hat wiederum positive Implikationen für z.B. das Commitment und die Motivation. Es konnte ebenfalls ein positiver Zusammenhang zwischen Job Crafting und der Selbstwirksamkeit (die Überzeugung, Herausforderung durch eigenes Handeln selbst erfolgreich bewältigen zu können) festgestellt werden. Die Selbstwirksamkeit hängt wiederum mit verschiedenen Faktoren, u.a. mit der psychischen Gesundheit zusammen.
Diese Vorteile von Job Crafting zeigen dessen Relevanz, welche gerade in Zeiten des Homeoffice besonders hoch ist.
Homeoffice als Gestaltungsanforderung
Im Zuge der Covid-19 Pandemie mussten weltweit viele Arbeitnehmende ad hoc von einem Tag auf den anderen von zuhause aus arbeiten. Im Februar 2021 waren 41 Prozent der Erwerbstätigen der Schweiz mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Homeoffice, 24 Prozent davon arbeiteten nur von zuhause aus. Gerade in diesen Zeiten müssen Beschäftigte demnach einen Grossteil ihrer Tätigkeits- und Umgebungsbedingungen in der eigenen häuslichen Situation selbst gestalten. Entsprechend ist die Job Crafting Kompetenz ein wichtiger Faktor für ein gutes Gelingen der Arbeit im Homeoffice.
Diverse Studien zeigen, dass das Arbeiten von zuhause aus die Autonomie, die wahrgenommene Wertschätzung und die Arbeitszufriedenheit steigern kann. Es sind aber auch negative Auswirkungen sichtbar, wie beispielswiese eine erschwerte Balance zwischen Beruf und Privatleben, eine eingeschränkte Erholung sowie Einsamkeit und ergonomische Belastungen. Im Rahmen einer deutschen Studie, die im Jahr 2020 verschiedene Messzeitpunkte erhob, wurden bei Beschäftigten aus unterschiedlichsten Branchen verschiedene Verläufe und Niveaus der Belastungen gefunden – jeweils in Abhängigkeit von der Arbeitsgestaltungskompetenz, d.h. Job Crafting. High Crafter hatten dabei im Vergleich zu Low Craftern eine höher auegeprägte selbst eingeschätzte Produktivität und Zufriedenheit, berichteten von weniger Informations- und Kommunikationsmängel und erlebten bei der Arbeit im Homeoffice eine geringere Erschöpfung.
Es lässt sich demnach feststellen, dass neben objektiv unterschiedlichen Bedingungen wie z.B. die häusliche Situation oder die technische Ausstattung die Job Crafting Kompetenz ein wichtiger Indikator für die Arbeitszufriedenheit im Homeoffice darstellt. Diese individuelle Form der «Arbeitsgestaltung von unten» wird daher auch in Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen und sollte aktiv gefördert werden.
Förderung von Job Crafting
Insgesamt ist es ratsam, Job Crafting nicht dem Zufall zu überlassen, sondern es aktiv zu fördern und in eine gewünschte Richtung zu lenken. Wichtig ist dabei, dass Job Crafting nicht erzwungen werden kann. Es können aber günstige Bedingungen dafür geschaffen werden:
- Eine Möglichkeit, um die Mitarbeitenden und KollegInnen einzubinden, besteht darin, Job Crafting auf Organisationsseite aktiv zu fördern. Man kann zum Beispiel auf verschiedene Job Crafting Praktiken aufmerksam machen, und den Prozess durch kontinuierlichen Austausch und Reflexion begleiten.
- Führungskräfte und ArbeitskollegInnen inspirieren als Rollenmodell. Motivieren Sie sich selbst und andere in Ihrem Umfeld dazu, über Crafting-Verhalten zu sprechen und dieses somit bei anderen zu verstärken.
- Psychologische Sicherheit ist eine wichtige Voraussetzung für Job Crafting. Mitarbeitende müssen sich wohl fühlen, neue Ideen und Methoden auszuprobieren und dabei potenziell auch einmal Fehler zu begehen, ohne dafür bestraft zu werden. Sie können Job Crafting demnach unterstützen, indem Sie zu einer Kultur der Fehlertoleranz beitragen.
- Eine weitere Voraussetzung für Job Crafting ist genügend Handlungsspielraum, um seine eigene Arbeitssituation zu gestalten. Als Führungsperson ist es wichtig, sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden in Ihrem Unternehmen Autonomie, Vertrauen und Kontrolle bei der Arbeit empfinden.
- Realistische Arbeitsmengen, Rollenklarheit und genügend verfügbare Zeit für Crafting sind weitere wichtige Punkte, welche gewähren, dass Mitarbeitende Job Crafting betreiben können.
Job Crafting ist kein neues Konzept – bereits früher wurde beispielsweise Managern mehr Flexibilität und Handlungsspielraum bei der Ausführung des Berufes gewährt. Das Neue an Job Crafting ist jedoch, dass Mitarbeitende auf allen Stufen damit die Möglichkeit haben, ihre Arbeitssituation zu verbessern und den eigenen Bedürfnissen anzupassen – eine Chance, die sowohl im Homeoffice als auch in weiteren zukünftigen Umstellungen der Arbeitssituation eine wichtige Ressource für viele Arbeitnehmende und -gebende darstellt. Fangen auch Sie an, mit Job Crafting Ihren Beruf noch passender zu machen!
Inspirationen
Dettmers, Jan & Mülder, Lina. (2020). Arbeitsgestaltungskompetenz im Homeoffice. Wirtschaftspsychologie aktuell.
Rudolph, Cort W., Katz, Ian M., Lavigne, Kristi N. & Zacher, Hannes (2017). Job crafting: A meta-analysis of relationships with individual differences, job characteristics, and work outcomes. Journal of Vocational Behavior, doi.org/10.1016/j.jvb.2017.05.008.
Wrzesniewski, Amy & Dutton, Jane E. (2001). Crafting a Job: Revisioning Employees as Active Crafters of Their Work. The Academy of Management Review, 26, 179-201.
Januar 2022, Sophie Brogle
https://www.psy.lmu.de/evidenzbasiertesmanagement/dokumente/ebm_dossiers/ebm_27_job_crafting.pdf